Eine offene Welle schwappt durchs Internet

Google Wave»Wie würden E-Mails aussehen, wenn sie heute erfunden würden?«
Seit 2007 entwickelt Google ein neues Multitool, dass diese Frage auf Googles Art beantwortet und dabei fast alle bisher gekannten Webanwendungen vereint: Wikis, Foren, Blogs, E-Mails, Bilderhosts, Chats, Kartenservice, Videoplattformen… das alles und noch viel mehr soll in Zukunft – wenn es nach Google geht – alles in einer sog. »Welle« stattfinden: Google Wave. Ein gewagtes Ziel, aber es scheint zu funktionieren – und zwar im Browser! HTML 5 macht’s möglich!

In einer etwa einstündigen Präsentation, die Einblicke in die nicht öffentliche Testphase gibt, zeigen die Chefentwickler, welche Features schon funktionieren und wie das ganze später etwa aussehen wird. Man eröffnet eine „Welle“, schreibt etwas hinein, lädt Freunde ein und diese können sie sich in Echtzeit ansehen und editieren. Sollte ihnen ein passender Kommentar einfallen, können sie ihn an eine beliebige Stelle setzen. Sollte ein Freund diese Konversation nicht von Anfang an verfolgt haben, so ergibt sich ihm die Möglichkeit, alle Schritte einzeln nachzuvollziehen. Eine Einbindung in Apples iPhone wird es ebenfalls geben, auch wenn es bei der Präsentation noch nicht funktioniert hat (»We are working on that!«). Dabei lassen sich alle Google Services mehr oder weniger gut in das System einbinden: Karten zeigen Orte, Videos, Bildergallerien aus Picasa. Gleichzeitig existiert auch eine Art Export auf Googles Blogdienste. Das ganze funktioniert über ein auf XMPP basierendem Protokoll, was es ermöglicht, verschiedene Wellenangebote zu verknüpfen.

Mittlerweile hat Google angefangen, Teile des Wavecodes freizugeben und es somit zu einer open-Source Software zu machen. Mich hat das ein wenig gewundert, dass Google diesen Schritt schon unternahm, bevor es offiziell für Betatester freigestellt wurde. Momentan ist der Test einem kleinen Kreis vorbehalten, ähnlich wie bei Ubuntuone muss man sich bewerben (Wartezeiten ungewiss, ich warte z.B. seit etwa zwei Monaten auf eine Einladung). Angeblich soll noch in diesem Jahr das Projekt für alle geöffnet werden.

Im Endeffekt ist Google Wave keine Neuerfindung. Es ist nur ein Bund aus allen Diensten, die Google schon vor ewigen Zeiten gekauft oder ‚erfunden‘ hat. Jetzt muss man seine Videos nicht mehr bei Youtube hosten, die Fotos in ein Picasa-Webalbum packen, die Mails nicht mehr über Googlemail kontrollieren, chatten über Google Talk, und dann alles bei Blogspot einstellen – nein, jetzt gibt es eine zentrale Anlaufstelle für alles, die die Einzelschritte unternimmt. Ein kleines, nettes Feature nennt sich »Rosy«: Es übersetzt den Text eines Freundes beim kollaborativen Schreiben in Echtzeit. APIs gibt es auch, für Twitter wurde es bspw. schon ausgenutzt.

Google tut sich damit natürlich selbst den größten Gefallen. Als Datenkrake verleitet es jetzt Benutzer, gleich alle Daten an Google zu senden. Während man vorher seine Videos auf alternative Angebote laden konnte, seine eigene Blogsoftware hatte, andere E-Mail Anbieter, sorgt Google jetzt dafür, dass man alle Daten dem amerikanischen Konzern anvertraut. (Allerdings könnte man über die APIs auch fremde Anbieter hinzufügen.) Kein Wunder, dass das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik schon jetzt davor warnt, diesen Dienst zu nutzen.

Die Experten des BSI-Lagezentrums raten hier von der Verwendung der Plattform zur webbasierten Kommunikation Google Wave ab, die im Mai vorgestellt wurde und in der zweiten Jahreshälfte veröffentlicht werden soll. Sowohl unter Aspekten der IT-Sicherheit als auch des Datenschutzes sei die Verwendung der neuen Plattform nicht zu empfehlen. #

Obwohl ich gerne über Google Wave schimpfe muss ich sagen, dass mit diesem Projekt auch ein ganz nützliches Tool geschaffen wird. Ich muss zugeben, dass ich neugierig auf diesen Dienst bin und habe mich deshalb als Betatester angeboten (leider bisher ohne Erfolg). Durch die Offenlegung des Kernstücks (eigene Angabe von Google) bin ich davon überzeugt, dass man sich bald eine eigene Welle auf dem Server installieren kann bzw. alternative Angebote bekommt. Somit muss man nicht alle Daten bei Google speichern 😉

Wer die Entwicklung selbst verfolgen will, der sollte mal auf dem Entwicklerblog verbeisehen.

Für mich hat das den gleichen Beigeschmack wie die Benutzung von Google Chrome: Außenherum ist alles Open-Source, da kann man Google keinesfalls einen Vorwurf machen – eher dankbar sein, da sie (in diesem Beispiel Chromium) finanziell unterstützen. Allerdings übernimmt Google den Feinschliff für Chrome dann doch selbst und veröffentlicht damit einen Browser mit geheimer Modifizierung, keiner weiß was am Ende noch eingebaut wurde. Der Unterschied zu Wave ist jedoch, dass man hier problemlos das offene Mutterprojekt direkt installieren kann, und das ist komplett offen. Solange man der Community mehr vertraut als Google allein, braucht man hier keine Datenschutzrechtlichen Bedenken haben. Bei Wave kann man allerdings nicht so schnell eine freie Alternative schaffen, da man wahrscheinlich immer einem Anbieter vertrauen muss (es sei denn, man hat einen eigenen Server, über den Wave läuft). Auf jeden Fall ist die Präsentation einen Blick wert.

Wie seht ihr den Dienst? Würdet ihr ihn nutzen?

Viele Grüße, Benni

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