Chromium vs. Firefox
Inhaltsverzeichnis
Seitdem ich Lucid Lynx installiert habe, teste ich neben diversen Versionen von Firefox auch die Konkurrenz von Google: Chromium. Dieser open-source Browser ist in Lucids Quellen und lässt sich leicht via
sudo apt-get install chromium-browser
installieren. Jetzt habe ich wie gesagt beide Browser einige Zeit genutzt und wage nun einen subjektiven Vergleich mit den Vor- und Nachteilen der beiden Browser. Denn beide haben ihre Vorzüge.
Startgeschwindigkeit
Das erste was bei der Benutzung eines Browsers auffällt, ist der so genannte Kaltstart des Programms. Dieser ist bei Chromium wirklich um einiges schneller! Nach nicht einmal 4 Sekunden ist auf meinem System Chromium startklar, während Firefox etliche Sekunden länger braucht. Das liegt wahrscheinlich daran, dass Firefox noch um einiges „schwerer“ ist als Chromium, weil dieser auch noch mit Plugins vollgestopft ist (später dazu mehr).
Anpassungsmöglichkeiten
Die Anpassungsmöglichkeiten der beiden Browser ist sehr, sehr unterschiedlich, da liegen sozusagen Welten dazwischen. Da muss Chromium die Hausaufgaben noch machen, definitiv. Schon allein die Menüstruktur ist bei Mozillas Browser um etliche Einträge länger. Dort kann man fast alles einstellen, selbst Dinge, bei denen man nichteinmal auf die Idee gekommen wäre, dass man sie einstellen können soll.
Selbst wem die umfangreichen Einträge im grafischen Menü nicht ausreichen, der kann den absoluten Feinschliff für Firefox in der about:config vornehmen. Eine vergleichbare Möglichkeit für Feineinstellungen fehlt Chromium bis heute vollkommen.
Was ebenfalls noch stark für Firefox und gegen Chromium spricht, ist das Blockieren von Werbung. Für Firefox gibts unangefochten auf Nummer eins der Werbeblocker: Adblock. Für Chromium gibt es ebenfalls Adblock und sogar noch weitere Plugins mit gleicher Aufgabe. Diese kann man allerdings alle in die Tonne klopfen, so wie sie sind. Im Gegensatz zum Addon für Firefox werden hier die Werbeblöcke nicht „blockiert“, sondern lediglich überdeckt. So sind sie zwar nicht immer sichtbar, aber dennoch spürbar, besonders wenn es um großflächige Werbung mit Flash geht. Diese lässt dann, ohne dass man den Grund sieht, die Last der CPU wachsen und den Browser verlangsamen. Diese Verdeckungsmethode führte teilweise dazu, dass manche Seiten gar nicht angezeigt wurden, da der gesamte Content als Werbung identifiziert wurde. So hat Adsweep z.B. die Internetseite der Financial Times Deutschland verdeckt.
Wen es interessiert, welche Flashwerbung auf manchen Seiten geladen wird, der kann gerne beim Aufruf dieser Seiten in den /tmp Ordner sehen, dort wird sie nämlich abgelegt. Firefox hingegen lädt die Werbung erst gar nicht und beschleundigt dabei den Seitenaufbau und schont die CPU. Ok, mittlerweile ist die Entwicklung von Adblock für Chromium schon einen ganzen Zacken weitergekommen und bietet in Betaversionen auch schon die echte „Blockade“ von Werbung an. Das funktioniert aber noch lange nicht zu zuverlässig wie bei Firefox, da trotz abonnierter Listen manche Werbung einfach nicht als solche erkannt wird.
Ich bin mir auch nicht ganz sicher, wie weit die Werbeblockade von den Entwicklern überhaupt geduldet wird. Immerhin ist Internetwerbung DIE Einnahmequelle von Google, und Chromium gehört zu Google. Wie dieser Interessenkonflikt hinter den Kulissen verarbeitet wird würde mich sehr interessieren, denn ein voll funktionstüchtiger Werbeblocker würde Google nicht wirklich nützen.
Allgemein gesprochen ist Firefox viel vielseitger erweiterbar. Es gibt mittlerweile zwar auch schon einige Addons für Chromium, diese lassen sich auch so einfach und schnell wie bei Firefox installieren. Dennoch geht dieser Punkt ganz eindeutig an Firefox.
Übrigens ist hier eine starke Entwicklung seitens Chromium bemerkbar. Ganz am Anfang, kurz nach Lucids Release gab es noch viel weniger Einstellungsmöglichkeiten im Browser als jetzt.
Look and feel
Mir kam die Benutzung von Chromium sehr angenehm vor, was vor allem daran lag, dass die Tabs oben sind, also oberhalb der Adresszeile. Dies gibt, wie bereits oft hier im Blog erwähnt, viel Platz für den Internetauftritt. Auch die fehlende Menü- und Statusleiste spart viel Platz im Fenster, der der Internetseite überlassen bleibt. Letztere erscheint nur, sobald man sich mit der Maus über einem Link befindet.
Was mir jedoch überhaupt nicht gefällt ist, dass Chromium keine GTK+ Oberfläche besitzt. Während sich Firefox perfekt in meinen Gnome-Desktop einpassen kann und mit Ubuntu auch sein Aussehen ändert, sobald ich das Theme wechsel, ist das bei Chromium nicht so. Man muss erst einen Haufen Einstellungen vornehmen und ein extra Theme installieren, damit es äußerlich nicht mehr auffällig ist. (Ich bin mir nicht sicher, aber kann es sein, dass sich das über die Updates schon geändert hat?). Was ich auch merkwürdig finde ist, dass bei den Scrollbalken im Chromium keine Pfeile angezeigt werden. Das sieht für mich wie ein grober Grafikfehler aus und hat meines Erachtens überhaupt keinen Vorteil…
Sobald man mit Chromium auf eine fremdsprachige Seite gelangt, wird uns Benutzern eine Übersetzung der Seite angeboten. Es erscheint ein Balken oberhalb der Internetseite die diesen Service anbietet. Stimmt man der Übersetzung zu, wird die Seite mittels Google Translate auf deutsch angezeigt. Das mag für viele Benutzer zwar hilfreich sein, mich nervte es jedoch (es lässt sich in den Optionen auch ausschalten).
Was mich daran nervt ist übrigens nicht die Tatsache, dass mir dieses Tool angeboten wird, sondern das Gefühl, dass mir Google während des Surfens immer im Nacken sitzt. Wie so ein kleines Männchen das mir über die Schulter schaut und bei fremdsprachigen Seiten ins Ohr raunt „komm, lass es mich für dich übersetzen“. Blöd nur, dass dieses Männchen auch dann da ist, wenn ich E-Mails über Webmail schreibe oder mich mit Passwörtern irgendwo anmelde…
Auch die permanente Verwechslung mit Google Chrome ist mir aufgefallen. Bei Seiten die meinen User Agent ausgeben sollen werde ich immer als Google Chromer erkannt 😀 (anpassbar ;))
Die Fehlerseite des Browsers ist auch mit dem Google Chrome Logo ausgestattet.
Anwendungen im Web
Hier sind die beiden Browser etwa gleichweit entwickelt. Zumindest auf dem Papier. Die aktuelle Betaversion von Firefox 4 erreicht 97 Punkte im Acid3-Test, Chromium bekommt volle 100 Punkte gutgeschrieben.
Die Umsetzung von HTML-Medienwiedergaben finde ich in Firefox allerdings viel, viel besser umgesetzt. Vielleicht bin ich aber auch nicht klug genug, die Steuerung von Audio direkt in Chromium zu durchschauen… Firefox zeigt einen Play/Pause Button links in einer Leiste an, daneben kommt der Fortschrittsbalken, in dem man sowohl den momentanen Ladestatus als auch den Fortschritt der Wiedergabe leicht erkennt. Außerdem wird die aktuelle Playtime und die Gesamtspielzeit angezeigt.
Bei Chromium fehlt davon fast alles. Es gibt zwar den Play/Pause Button genauso, aber welche Funktion dieser mutierte Fortschrittbalken hat, ist mir nicht ganz ersichtlich. Es ist für mich nicht möglich den aktuellen Fortschritt der Wiedergabe und des Ladens abzulesen, geschweige denn die Gesamtspielzeit. Big fail.
Was mir auch noch schleierhaft vorkommt ist die Benutzung von WordPress in Chromium. Ich schreibe diesen Artikel zwar gerade in Chromium, die Links und Bilder werde ich im Anschluss daran allerdings mit Firefox einfügen müssen, weil Chromium mit dem Popups nicht klar kommt. Weiß der Geier warum, aber hier werden nur leere Kästen dafür angezeigt.
Verwaltung diverser Zusatzdienste
Über Addons in den beiden Browsern habe ich ja bereits gesprochen. Aber die Verwaltung dieser finde ich auch noch sehr interessant. In den bisher stabilen Versionen von Firefox werden diese in einem Extrafenster verwaltet, genauso wie die Downloads und Lesezeichen. Bei Firefox 4 und bei Chromium ist das allerdings nicht mehr so: Die Verwaltung findet im Tab selbst statt. Diese Idee finde ich sehr gelungen und übersichtlich. Die Addonverwaltung ist sozusagen bei beiden gleich (sobald FF4 erschienen ist). Bei den Downloads ist allerdings ein Unterschied bemerkbar. Wenn Firefox etwas runterladen will, fragt er in einem Fenster nach und danach öffnet sich das Downloadfenster. Bei Chromium verlagert sich der Download in die Fußleiste des Fensters. Wenn man das nicht weiß, ist das erstmal ungewöhnlich und man bemerkt gar nicht, dass gerade etwas heruntergeladen wird. Das ist meines Erachtens ein bisschen zu unauffällig geregelt.
Einen fetten Minuspunkt bekommt Chromium noch wegen des Fehlens eines Feedreaders. Unfassbar, wie dieses Feature vergessen werden konnte!
Sonstiges und Fazit
Obwohl Firefox in dieser Darstellung ein bisschen besser dastand als Chromium finde ich dass Chromium über lange Sicht ein verdammt harter Konkurrent für Firefox werden wird. Schon jetzt beherrscht der Browser einige Dinge, die Firefox erst mit Addons kann. Zum Beispiel das Addon „Firebug“ wird durch die native Funktion „Element überprüfen“ in Chromium ersetzt.
Das eigentlich negative an Chromium ist für mich die starke Nähe zu Google, die mir sauer aufstößt. Aber was will man erwarten, wenn Google hinter der Entwicklung steckt? 😀 Ich werde weiterhin beide parallel verwenden.
Schreibe einen Kommentar