Warum Tabs sterben sollen
Sergey Davidoff hat im Blog OMG! Ubuntu seiner Meinung über den Gebrauch von Tabs in Programmen Kund getan. Im Artikel „Why Tabs must die“ erklärt er ausführlich, wieso er von Client-seitigen Tabs nicht überzeugt ist. Sergeys Meinung nach ist die Tabentwicklung bei den gängisten Betriebssystemen im Jahr 2006 stehen geblieben, während sich z.B. die Gnome Shell als moderne Arbeitsumgebung weiterentwickelt hat. Da sozusagen jede App selbst ihre Tabs verwaltet, hat eine moderne Desktop Shell nicht mehr den Einfluss auf die Inhalte, die sie haben sollte. Seine Lösung im Wortlaut:
There’s only one solution: Client-side tabs must die. The replacement should be ultimately handeld by the shell.
Davidoffs Begründung
In seiner Ausführung geht Sergey zunächst auf die Geschichte der Tabs ein. Er holt relativ weit aus und berichtet, dass die Tabs ursprünglich bei Browsern gekommen sind, um mehrere Webseiten zu betrachten. Während ein Großteil der Browser bereits früh das sog. Tabbed Browsing unterstüzte, kam der Internet Explorer erst 2006 dazu.
Der Autor definiert die Hauptaufgabe von Tabs darin, dass sie das Multitasking ermöglichen sollen. Um beim Beispiel des Browsers zu bleiben: mehrere Webseiten können gleichzeitig geöffnet sein, ohne dass die Taskleiste in Windows bzw. das Panel in GNOME überladen ist. Wer erinnert sich nicht an die überfluteten Taskleisten in Windows XP, als man mit dem Internet Explorer mehrere Internetseiten aufrufen wollte?
Davidoff setzt bereits hier mit seiner Argumentation an: Wenn die Shell damals nicht versagt hätte, wärend Client-seitige Tabs (hier: im Browser) gar nicht notwendig gewesen. Als die Tabs den Browser verlassen haben und auch in traditionelle Fenster einzogen, ging es dem Autor zu weit. Er meint, dass man leicht die Übersicht über mehrere geöffnete Fenster eines Programmes verliert, was durch mehrere Tabs innerhalb der Fenster nochmals verstärkt wird.
Die Shell hat nur die Möglichkeit, Fenster eines Programmes geordnet anzuzeigen, nicht jedoch deren Tabs. Die werden alleine vom Programm verwaltet. Es gibt mindestens 3 Level für das Verwalten von Multitasking Programmen. Dazu gehören die virtuellen Desktops, die Fenster und die Tabs innerhalb der Fenster. Diese dreifache Organisation bringt alles durcheinander. Davidoffs Meinung nach sollten alle Multitaskingprogramme auf mehrere Fenster- und/oder Tabdarstellen verzichten, und dies der Desktopumgebung, also der Shell, überlassen.
Sein Lösungsvorschlag: jede App darf nur ein Fenster pro Arbeitsfläche haben. Multitasking soll dann über ein revolutionäres Tabsystem funktionieren, das ausschließlich von der Shell gesteuert wird. Anschließend gibt er noch ein paar Vorschläge, wie das neue Tabverfahren aussehen könnte.
Meine Meinung zum Thema
Zunächst möchte ich einmal aufzählen, in welchen Programmen mir bei der täglichen Arbeit Tabs begegnen:
- Browser
- Nautilus
- Gedit
- diverse Einstellungsfenster
Da ich beruflich hin und wieder mit Windows 7 und dem Internet Explorer zu tun habe, ist mir bereits aufgefallen, dass der IE in Windows 7 schon das tut, was der Autor fordert: In der Taskleiste sieht man per Mouseover auf dem IE-Symbol kleine Vorschaubilder der Tabs, sodass man zusätzlich zu den Client-seitigen Tabs auch über die „Shell“ die Tabs wählen kann. Mich hat dieses Feature unglaublich gestört, daher habe ich es abgeschaltet.
Aber ich stimme Sergey in einigen Punkten zu. Tabs sind eine gute Erfindung, aber sie sollten zentral von der Shell organisiert werden. Anstatt – wie bisher – lediglich das Fenster einer Anwendung auswählen zu können, sollte man auch direkt den gewünschten Task erreichen können, also z.B. die Internetseite oder einen Ordner. Denn gerade in Nautilus passiert es mir häufig, dass ich mehrere Fenster geöffnet habe, und innerhalb dieser Fenster sind nochmals 2-3 Tabs geöffnet. Da ich es lästig finde, einen irgendwo geöffneten Tab zu suchen, öffne ich ihn schlichtweg nochmals (ich benutze Unity. Wenn ich mir alle geöffneten Nautilusfenster anzeigen lasse, sehe ich tatsächlich nur die Fenster, nicht welche Tabs darin sind!). Das ist nicht gerade nutzerfreundlich!
Mein Browser erlaubt es mir auch, Tabs und Fenster nach Belieben zu öffnen. Da ich keinen Sinn darin sehe, mehrere Browserfenster zu öffnen, organisere ich alles über Tabs. Und hier kann ich meine Organisation noch überschauen, also hier besteht kein Handlungsbedarf.
Gleiches gilt für Gedit. Da ich öfter mal mit LaTeX arbeite und dafür Gedit verwende, komme ich um mehrere gleichzeitig geöffnete Textdokumente gar nicht herum! Die Tabs in Gedit sind für meine Organisation ausreichend, und da ich i.d.R. nur ein Geditfenster geöffnet habe, gerät hier nichts außer Kontrolle.
Das Problem im allgemeinen ist zwar vorhanden, ich würde aber nicht so eine Panik verbreiten wie Davidoff. Er wirbt aktiv für eine laute Protestbewegung gegen Client-seitige Tabs. Ich sehe auch das Problem, gebe ihm allerdings nicht einmal annähernd diese hohe Priorität. Dafür sind es momentan noch viel zu wenige Programme, die auf Tabs setzen.
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