Update: Bleibt Freiburg auch weiterhin „frei“?
Morgen soll in der Stadt Freiburg darüber entschieden werden, welche Strategie in der Anwendung von Office-Programmen verfolgt werden soll. Im Jahr 2007 gab es einen Beschluss im Stadtrat, der eine Mirgration zum Open Document Format und damit auch zu Open Office (OOo) vorsah. Offiziell ist die Migration bereits abgeschlossen. Dennoch kommt es häufig zu Problemen in der Anwendung, was durch ein extern erstelltes Gutachten bestätigt wurde. Am morgigen Dienstag soll nun eine Beschlussvorlage des Bürgermeisteramts im Gemeinderat zur Abstimmung vorgelegt werden. Damit gäbe es erneut eine Migration, diesmal von OOo zu MS Office 2010.
Die Eckpunkte des Gutachtens:
- Es gibt „immer wieder kritische Rückmeldungen bzgl. des Unterstützunggrades bei der täglichen Arbeitserledigung“
- Gründe dafür gibt es einige, beispielsweise der „erhebliche Mehraufwand“ bei externen Austauschbeziehungen durch fehlerhafte Formatierungen oder Informationsverlust bei kooperativ erstellten Dokumenten (wenn der Austauschpartner MS Office einsetzt). Nachverfolgung von Änderungen können nur in Microsoft Word erfolgen.
- Die Koexistenz von MS Office 2000 wird ausgenutzt, um o.g. Probleme zu umgehen. Da diese Software hoffnungslos veraltet ist, werden von den Fachämtern teilweise PCs mit aktuelleren Officepaketen von Microsoft beschafft.
Aus der IST-Analyse des Gutachtens gehen auch organisatorische Fehler bei der Umsetzung der Migration zu OOo hervor. Es gab unzureichende Schulungen und eine „unglückliche Informationspolitik“, wodurch die Ablehnung von OOo verschärft wurde. Daher gibt es auch eine „Protesthaltung gegen OOo“.
Die Arbeitsgruppe „Office Interoperabilität“ hat das Ziel, die Im- und Exportfilter von OOo so zu gestalten, dass keine Formatierungsfehler bzw. zerstörte Makros auftreten. Das Gutachten gibt dem Projekt aber keine Erfolgsaussichten für dieses Jahrzehnt, da die Entwicklercommunity von OOo gerade auseinander driftet und MS seinen Marktanteil durch ständige veränderung des MS-Standards festigen möchte. (siehe dazu auch weiter unten)
Das Gutachten empfielt sowohl von der bisherigen Strategie „flächendeckend OpenOffice“ einzusetzen abzukehren und auch die Zweigleisigkeit abzubrechen. Stattdessen solle wieder ausschließlich auf Microsoft als „Quasistandard im Bereich Büroanwendung“ gesetzt werden.
Die Open Source Business Alliance geht in einem offenen Brief auf das Gutachten und der Schlussfolgerung daraus ein. Es wird vor allem auf die fehlende Kompatibilität eingegangen, die weite Teile des Gutachtens ausmachen. Dort wird sie damit begründet, dass OOo und MSO auf jeweils andere „Standards“ setzen, die nur bedingt kompatibel seien. Die OSBA hingegen weist darauf hin, dass Microsoft ab 2013 das Open Document Format (ODF) vollständig unterstützen wird, was die Kompatibiltät der beiden Softwareprodukte verbessern wird.
Die im Gutachten angesprochenen Programmabstürze seien auf die veralteten Versionen der Software in Freiburg zurückzuführen. In neueren Versionen sei dies nicht mehr der Fall.
Weiterhin sei der Punkt über neue Releases gänzlich vernachlässigt worden. Diese erscheinen in den OpenSource-Projekten deutlich häufiger als bei Microsoft. Damit ist auch das Beheben von Nutzerproblemen schneller bewerkstelligt.
Als letztes gibt die OSBA noch einen Beschlussvorschlag für die Stadträte bekannt. Hierin heißt es:
Wir möchten Sie auffordern, als Gemeinderat eine politische und nachhaltige Entscheidung zugunsten von Offenheit, Transparenz, Mitbestimmung und Mitwirkung aus dem Jahre 2007 nicht vorschnell in eine Entscheidung zu verwandeln, die zu direkten Lizenzzahlungen an einen proprietären Hersteller in Höhe von ca. 550.000 EUR führt.
Große Städte wie München, Jena und (seit der Erstellung des Gutachtens im Sommer 2012 dazugekommen) Leipzig beweisen, dass LibreOffice- oder ApacheOffice-Implementationen der neuesten Generation erfolgreich sind. Auch in kleineren Städten wie der Stadt Schwäbisch Hall oder Treuchtlingen laufen Projekte mit einem klaren Fokus auf offenen Office-Suiten zur großen Zufriedenheit und haben zu deutlichen Einsparungen geführt.
Das Gutachten wurde erst am vergangenen Dienstag veröffentlicht. Den Befürwortern im Stadtrat von freier Software blieb also nur wenig Zeit, sich auf die Beschlussvorlage vorzubereiten.
Egal wie diese Abstimmung ausgehen wird, es wird für die freie Software in öffentlichen Einrichtungen Folgen haben.
In der Zwischenzeit fand die Abschimmung statt. Es wurde gegen OpenOffice und für eine Rückkehr zu Microsoft Office gestimmt.
20 waren für die freie Software, 25 für Microsoft Office, 2 Enthaltungen. Die Nein-Stimmen kommen von der CDU, SPD, den freien Wählern, 2 (von 13) der Grünen und vom (grünen) Bürgermeister selbst.
Für die Verbreitung von Open Source Software in öffentlichen Einrichtungen ist das ein herber Rückschlag. Neben den deutschen Erfolgsmodellen aus München, Jena und Leipzig (oder erst seit kurzer Zeit) gibt es in der Liste nun auch ein gescheitertes Projekt: Freiburg.
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