Botschafter für freie Software

Eigentlich möchte ich das ja vermeiden, denn es gibt eigentlich auch keinen Grund, warum man es machen sollte. Aber dennoch passiert es mir, dass ich als Botschafter für freie Software auftrete, zumindest kommt es mir so vor!

Ich kann es mir nicht so wirklich erklären. Ich strebe es nicht an, mit Menschen die ich noch nicht so lange kenne, über Software und Betriebssysteme zu sprechen. Vor allem dann nicht, wenn ich sie in einem ganz anderen Kontext kennen gelernt habe. Es gibt auch überhaupt keinen Grund dazu, einer fremden Person etwas über Linux zu erzählen!?

Wenn ich aber die neuen Menschen näher kennen lerne, etwa aus beruflichen Gründen oder weil ich sie privat treffe, kommt über kurz oder lang das Gespräch auf Betriebssysteme, Vor- und Nachteile von freier Software und so weiter. Und irgendwie passiert es mir häufig, dass ich mich für freie Software rechtfertige, oder gar rechtfertigen muss!

Die Wege, wie es zu diesem Gespräch kommt, sind vielseitig, meistens aber ohne mein großes Zutun. Gesprächseröffner ist im Büro meistens eines der Microsoft-Produkte. Entweder funktioniert Excel wieder nicht so wie es soll, Word spinnt, Windows-Updates bremsen den PC oder der Internet Explorer ist zu langsam. Wenn dann ein Kollege die (eigentlich rhetorische) Frage stellt: „Warum geht das nicht?“ – nun, was bleibt mir anderes übrig, als es ihm zu erklären?

Eine andere, häufig auftretende Situation ist, wenn jemand meinen Laptopbildschirm sieht. Oder ihn mal kurz benutzen möchte. Nach spätestens 5 Minuten beobachten stellt er/sie mir die Frage: „Warum sieht das bei dir anders aus?“ – nun, was bleibt mir anderes übrig, als es ihm zu erklären?

Neulich hielt ich einen Vortrag in der Hochschule. Mein Professor schimpfte im Smalltalk davor auf die Studenten, die mit „so Zeug wie OpenOffice arbeiten. Die Dateien funktionieren mit PowerPoint nicht. Ich versteh nicht, wie man sowas [OpenOffice] verwenden kann! Das schafft es nichtmal, das in einem vernünftigen Format zu speichern, damit man das mit PowerPoint öffnen kann, ohne dass es kaputt ist. Dabei hat Microsoft ja Standards gesetzt!“ – nun, was bleibt mir anderes übrig, als das klarzustellen?

Ein anderer Kollege erzählt mir, dass er seinen Uraltcomputer neu installieren will, aber die Windows XP-CD nicht mehr findet. Und Windows 7 möchte er sich nicht kaufen. Nun, was bleibt mir anderes übrig, als ihm Linux vorzustellen?

Dabei halte ich mich bei den Diskussionen meiner Meinung nach dezent zurück, versuche nicht die ganze Zeit auf proprietärer Software herumzuhacken. Ich möchte meistens auch nicht Microsoft schlecht machen, aber die Alternativen kurz anzusprechen halte ich für sinnvoll. Ich möchte es auch vermeiden, als Geek oder Nerd eingestuft zu werden, deswegen führe ich mein Wissen auch nicht all zu weit aus.

Dennoch versuche ich, diese Themen nicht aus dem Zusammenhang gerissen anzusprechen. Aber plötzlich lenken meine Kollegen das Gespräch auf „dieses Ubuntu“, und schon bin ich wieder mittendrin, ohne dass ich das veranlasst habe. Oder lenke ich selbst das Gespräch unbewusst dorthin?

Es kommt mir auch oft so vor, als müsste ich mich für freie Software rechtfertigen. Zumindest nimmt mein Gegenüber bei der Unterhaltung über freie Software von Zeit zu Zeit die Haltung ein, dass freie Software „Schwachsinn“ sei, oder die Programmierer „einfach keine Ahnung von Vermarktung“ haben, oder dass sie gar „blöd“ seien. Und hier fühle ich mich dann als Botschafter der freien Software. Ich bringe dann die Gegenargumente. Es kommt eigentlich nicht zum Streit, aber ich verteidige die Gedanken der freien Software. Warum mache ich das? Bin ich doch ein Geek, ein Nerd?

Aber wie kann das sein? Bevor ich Linux benutzt habe, wurde selten über Betriebssysteme geredet. Aber vielleicht ist mir das auch nur einfach nicht aufgefallen? Es kann aber auch sein, dass damals die Diskussionen ungefähr so verliefen: „Scheiß Windows, hängt schon wieder! Was kann man dagegen machen?“ – „Hmm, gar nichts?“ – „Mist.“. Heute weiß ich es besser.

Es gibt ja hier und da immer mal wieder Aufforderungen, dass man den Gedanken von freier Software verbreiten soll. Ähnlich wie religiöse Bekehrungen. Ich finde das aber blödsinnig und möchte das nicht machen. Dazu ist es mir nicht wichtig genug! Ich bin ein großer Befürworter von Open Source, keine Frage. Mir gefällt daran nicht nur, dass es kostenlos ist, sondern der Gedanke des Teilens. Aber ich finde, dass man das niemandem aufzwingen sollte. Zur freien Software gehört ja auch, dass man die Freiheit hat zu wählen. Warum sollte man sich dann nicht für proprietäre Software entscheiden dürfen? Wenn mich jemand um Rat fragt, helfe ich ihm auch bei Microsoftprodukten. Diese sind nicht perfekt, aber welche Software kann das von sich schon behaupten? Wenn ich die Lösung des Problems auch mit Powerpoint oder Word finde, warum soll ich ihm dann OpenOffice/Libreoffice aufzwingen? Erst wenn wirklich große Probleme auftreten, starker Virenbefall, nicht erkannte Hardware oder andere Dinge, bei denen ich bei Windows hilflos bin, schreite ich mit dem gut gemeinten Rat zum Umstieg ein.

Einige Kollegen wollen sich nun auch Ubuntu installieren. Nicht als einziges Betriebssystem, aber als zweites nebenher. Sie haben sich die Live-CDs gebrannt und es einfach mal zuhause ausprobiert. Sie waren begeistert! Aber genau deswegen frage ich mich, was hier eigentlich passiert ist! Warum machen sie das? Ich wollte sie nicht „bekehren“, habe es aber getan. Ich wollte sie gar nicht überzeugen, aber es ist passiert. Ja, wir haben über Ubuntu gesprochen und ich habe ein paar Vorteile genannt. Vielleicht waren sie auch einfach nur neugierig.

Kennt ihr diese Situationen? Geht es euch ähnlich? Was macht ihr dann? Wie stolz seid ihr auf Linux und wie stark „kämpft“ ihr für freie Software?

Ich gebe zu, ab und zu kann ich mir Kommentare wie „Mit Linux wäre das nicht passiert!“ nicht verkneifen, ich halte mich damit aber zurück 😉

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