Jobs der Zweite?
Bis vor ein paar Monaten war alles in Butter. Eine mittelständische Firma names Canonical, Inhaber ein Multimillionär, ist Hauptentwickler für ein Betriebssystem, das sie für jedermann kostenlos zur Verfügung stellen. Geld kommt in die Kasse, indem man Support für Firmen (neuerdings auch Privatleuten) zur Verfügung stellt, oder indem man Suchmaschinen einen Standardeintrag schenkt. So ging das viele Jahre gut.
Aber dann, urplötzlich, fällt der Firma ein: Huch, die paar Dollar reichen nicht, um ein profitables Geschäft daraus zu machen. Canonical versucht daraufhin neue Märkte zu erschließen und orientiert sich dabei an schon bestehenden Erfolgsmodellen. Es gibt beispielsweise Dropbox, ein Dienst, dass eine externe Festplatte anbietet, bei Bedarf sogar gegen Bezahlung. Also startet Canonical ein Projekt, was genau dieses Modell kopiert. 2 GB sind für jeden kostenlos, 10 GB sind für eine monatliche Pauschale verfügbar. Da Canonical ein grandioses Produkt vertreibt, Ubuntu, das in der Szene einen enorm posiviten Ruf hat, wird schlichtweg dessen Name missbraucht und das neue Projekt „ubuntu one“ getauft. Doch wie der Name schon vermuten lässt: Dies war nur der erste Streich.
Dieses Projekt hat viel Kritik abbekommen. Ein bisschen Kritik bezieht sich dabei auf den zur Verfügung gestellten Speicherplatz, der mit 2GB für Nichtbezahler ganz dem Durchschnitt entspricht. Auch vergleichsweise wenig Kritik bekommt die nicht-Verträglichkeit mit anderen Betriebssystemen und Distributionen (es heißt ja auch „ubuntu one“). Benutzer anderer Plattformen sind entweder vollständig oder teilweise benachteiligt oder können es gar nicht nutzen. Die heftigste Kritik erhält das Projekt wegen des Names!
Ubuntu, der Inbegriff für freie Software, Menschlichkeit, Offenheit, Transparenz und Gemeinschaft, soll der Name für einen Service sein, der für die Community quasi nur als Service verfügbar ist. Nicht als Software, die jeder herunterladen, installieren, verändern, weitergeben, ja, benutzen kann. Außer ein paar Schnittstellen gibt es nichts, woran die Commuity entwickeln könnte. Ein proprietärer Dienst von einer Firma, die für freie Software steht, ist zwar gar nicht mal soooo furchtbar schlimm, aber den Namen „Ubuntu“ dafür zu missbrauchen, hat viele – zurecht – erzürnt.
Mittlerweile ist schon lange Gras darüber gewachsen, kaum noch jemand redet darüber oder regt sich darüber auf.
Nun geht die Geschichte aber noch weiter. Der erste Sprung in eine neue Sparte hat offensichtlich nicht den gewünschten Effekt gebracht, oder die Firma möchte einfach weiter expandieren. Jedenfalls begibt sich Canonical nun erneut in fremdes Terrain. Und da ein Sprung in die Speicherplatzvermietung noch nicht krass genug war, wechselt man gleich in eine komplett neue Sparte, die ausschließlich auf Einnahmen zugeschnitten ist: Musikvermarktung.
Und schon wieder muss die Marke Ubuntu mit dem Namen bürgen. Der „Ubuntu One Music Store“ wird erschaffen. Dort können wir Ubuntunutzer Musikalben gegen Bares beziehen. Diese wird dann in die Ubuntu One Cloud geladen und man kann sie darüber auf mehreren Computern synchronisieren. Super Sache! Aber was hat das nochmal mit Ubuntu zu tun? Was mit Linux? Gibt es eine Verbindung zu diesem Betriebssystem? Oder warum steckt dessen Name darin?
Jetzt wurde das neue Design für Ubuntu 10.04 vorgestellt. Fleißige Blogleser haben schon bemerkt: Nicht überall wird das moderne Design freundlich aufgenommen. Eher im Gegenteil, es wird als Mac OS X Klon verschrien. Viel zu lila! Und überhaupt, warum das alles? Es werden sogar die Button in der Fensterdekoration nach links gelegt! Ein nahezu sinnloses Vorhaben! Was soll das? Möchte Mark Shuttleworth ein zweiter Steve Jobs werden? Es ist zurecht an allen Ecken und Enden in der Linux-Bloggosphäre von „Ubuntu wird zu Apple“ zu lesen. Die Anzeichen sind eindeutig:
- Die Farben werden dahingehend geändert
- Die Button in der Fensterdekoration werden nach links gelegt
- Ein Musikdienst ist quasi in das Betriebssystem eingeschleust
- Es wird immer mehr Wert auf grafischen Schnickschnack gelegt (oder wie lassen sich die transparenten Tooltipps erklären?)
Und ein weiteres Indiz spricht dafür. Der Markenname „Ubuntu“ wird in jede Produktsparte mit aufgenommen, das ist ja schon mit dem i-Präfix bei Apple zu vergleichen.
Und wie sieht es mit der Homepage von Ubuntu aus? Mag sein, dass ich da ein wenig übertreibe, aber auf diese hat einen leichten Apple-Touch. Schon allein die Linkleiste im Header sieht sich ähnlich, besonders aber der Schwerpunkt auf edel aussehender Hardware als Blickfang im oberen Kopfbereich der Seite. Nun ja.
Wie so viele Andere sehe ich diese Umstrukturierung der Marke Ubuntu momentan ziemlich kritisch. Natürlich braucht ein Unternehmen irgendwo auch Einnahmen, daran gibts keinen Zweifel. Aber es muss doch andere Wege geben, als einen Konkurrenten zu kopieren? Vielleicht ist es ja auch einfach Schwarzmalerei und alles gar nicht so schlimm wie ich die Ubuntuwelt momentan sehe. Trotzdem gefällt mir die Entwicklung gerade gar nicht.
Ich glaube übrigens nicht, dass diese Sache von langer Hand geplant war, allenfalls von mittelfristigen Überlegungen wage ich zu reden. Ich behaupte das aus einer Interviewaussage von November vergangenen Jahres herauszuhören. Damals wurde er nach Veränderungen im Aussehen in Lucid gefragt und gestand neue Fensterdekorationen, neue Bootsplash und Anmeldebildschirm ein, aber kein neues GTK-Theme ein. Wenn die Anlehnung an Mac (mal vorsichtig formuliert) schon damals geplant gewesen wäre, hätte er sicherlich auch Letzteres bejaht.
Ich bin übrigens sehr darauf gespannt, wie die Community den iTunes-Store-Nachbau (?) annimmt. Vielleicht wird es ja besser genutzt, als ich vermute!
Bildquellen:
- Screenshot von ubuntu.com vom 6.3.10
- wiki.ubuntu.com
- Screenshot von apple.com/mac vom 6.3.10
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